Tedy

 

Auf der Suche nach der Sonne

(ein Märchen. © Daniela Yeoh. Wien 1998.)

   
Es war einmal eine kleine Teddybärin namens Tedy, die bei ihren Eltern Mamabär und Papabär im dunklen Zauberwald wohnte. Sie spielte gerne mit ihren Freundinnen und Freunden Verstecken. Manchmal erkundeten sie aber auch gemeinsam die nähere Umgebung. Als sie älter wurde, hatte sie keine Lust zum Spielen mehr. Obwohl sie weiterhin mitspielte, machte es ihr keinen Spaß. Ihr fehlte etwas. So beschloss sie eines dunklen Tages im zu Ende gehenden Winter, sich auf den Weg in die weite Welt zu machen. Vom Leben draußen hatte sie schon viel gehört. Auch dass es gefährlich sein sollte. Mutig wie sie war, konnte sie das aber nicht abhalten. Außerdem hatte sie gehört, dass es dort, wo die Sonne den ganzen Tag zu sehen war, schön und warm sei. Mit vielen guten Ratschlägen überhäuft zog sie in Richtung einer großen Lichtung, die dafür bekannt war, dass sich hier viele Tiere trafen. Ihre besten Freundinnen begleiteten sie noch ein Stück des Weges. Doch als sie sich schließlich trennen mussten, hatte Tedy Tränen in den Augen. Sie würde ganz bestimmt zurückkommen, versprach sie. Dann richtete sie ihre Gedanken auf zukünftige Abenteuer und marschierte tapfer weiter.
 
Als sie am nächsten Morgen auf eine kleine Lichtung traf, glaubte sie, bereits die große Lichtung gefunden zu haben. Die Sonne ging gerade über den Bäumen auf, und Tedy suchte nach den ersten Tieren. Als sie ein Trompeten hinter sich hörte, drehte sie sich erschrocken um. Im ersten Moment konnte sie aber niemanden sehen. Es war auch nichts mehr zu hören. Vorsichtig drehte sie sich um ihre eigene Achse - wer ihr da wohl einen Streich spielte? „Huhu", vernahm sie hinter sich. Und da saß doch tatsächlich eine Elefantin mitten im Wald! „Dich gibt’s bei uns doch gar nicht!", meinte Tedy spontan und ärgerte sich im nächsten Moment, weil sie wieder einmal zuerst geredet und dann erst gedacht hatte. Aber die Elefantin nahm ihr die Aussage nicht krumm. Sie war überhaupt viel zu sehr mit ihrem Aussehen beschäftigt. Da schien sie sich aber wieder der Gästin zu erinnern: „Was machst du ganz allein in diesem Wald?"
 
Tedy hatte die Frage erwartet und antwortete ganz schnell, dass sie sich die große, weite Welt anschauen wollte. „Außerdem suche ich die Sonne", fügte sie noch ganz schnell hinzu. „Und was machst DU da?" „Ach", sagte die Elefantin langsam, „ich bereite mich auf das riesige Frühlingsfest auf der großen Lichtung vor. Und übrigens: Ich heiße Marie. Wenn du willst, kannst du gerne eine Zeit lang bei mir bleiben. Hier ist es allein viel zu gefährlich für dich! Schau dir doch das Frühlingsfest an." Tedy freute sich über Maries Angebot. Vielleicht würde sie ja dort Tiere finden, die ihr nützliche Tips geben konnten! „Weißt du eigentlich, wo ich die Sonne finden kann?", fragte sie Marie. Doch diese wusste keine Antwort: „Ich kenne niemanden, der die Sonne jemals gefunden hätte. Wir haben sie auch gesucht, doch sie blieb immer weit weg. So kamen wir hierher. Und hier ist es auch schön und vor allem nicht so heiß wie in unserem Land." „Wer ist wir?", wunderte sich Tedy. „ICH gehöre noch dazu", ließ sich eine tiefe Stimme vom Busch rechts neben ihr vernehmen. Vorsichtig ging Tedy um den Busch herum. Und da war noch ein Elefant. Er saß am Boden und schaute sie an. Mit dem Rüssel hielt er eine grüne Flasche fest. „Hallo, ich bin Robbie!", stellte er sich vor und verdrehte dabei die Augen, so dass Tedy lachen musste.
 
Robbie war ihr vom ersten Augenblick an sympathisch, und so setzte sich Tedy gleich neben ihn: „Und ich bin Tedy - aus dem dunklen Zauberwald." „Soso", meinte er, „und du suchst nun die Sonne?" „Ja", antwortete Tedy, „ich hoffe, sie kann mir weiterhelfen." „Meine Schwester Marie und ich haben das Suchen nach ihr schon aufgegeben. Nun wohnen wir hier und feiern viel. Das macht Spaß. Bleib’ doch auch hier! Du hast Marie ja gehört. Wir haben die Sonne nicht gefunden. Und wir haben sehr lange gesucht. Das kannst du mir glauben!" Etwas zweifelnd blickte Tedy ihn an: „Du glaubst nicht, dass ich sie finde, oder?" Robbies Blick glitt in die Ferne, dann antwortete er langsam: „Nein, ich glaube nicht. Wir hatten so viele Fragen an sie und haben sie doch nicht gefunden. Nein, du kannst die Sonne nicht finden. Mache dich selbst nicht unglücklich, indem du sie suchst!" Natürlich wollte sich Tedy nicht unglücklich machen, aber glücklich war sie im Zauberwald ja auch nicht mehr gewesen. Und sie hatte gehofft, die Sonne könnte ihr da weiterhelfen. Die Sonne sah doch alles, kannte alle Gebiete hier. Die Sonne musste einfach weise sein! Und sie hatte so viele Fragen an sie! Traurig blickte Tedy zur Sonne hoch. In diesem Moment sprang Robbie neben ihr auf. „He, wer kitzelt mich da?", rief er ärgerlich und drehte sich um. Hinter dem Baum kam noch eine Elefantin hervor und zwinkerte Tedy zu. Als Robbie sie sah, wurde aus dem ärgerlichen Gesicht ein freundliches: „Tedy, das ist unsere Cousine Ruth. Sie besucht uns seit einer Woche. Und nimm’ dich vor ihr in Acht! Sie ist immer zu Späßen aufgelegt." Wie um seine Worte zu bestätigen schlug Ruth sofort einen Purzelbaum, kippte dabei aber auf die Seite. Lachend blieb sie im Gras liegen und als sie sich etwas beruhigte hatte, meinte sie zu Robbie: „Soso, und ihr entmutigt die kleine Bärin also! Wie oft habe ich euch schon gesagt, dass ein Traum oder ein Ziel auch verwirklicht werden können, wenn wir nur daran glauben!" Tedy wurde hellhörig. Wenn Robbie aber doch recht hatte? Sie hatten die Sonne ja gesucht und nicht gefunden! Ruth schien ihre Gedanken zu erraten: „Tedy, du musst nur daran glauben. Du musst an dich glauben. Was du willst, kannst du auch erreichen! Und wenn du die Sonne finden willst, wirst du sie auch finden. Du darfst dich nur nicht entmutigen lassen!" „Aber das sagt sich doch so leicht", antwortete Tedy, „und Marie und Robbie haben sie ja auch nicht gefunden!" Tedy war über sich selbst überrascht. Sie hatte sich noch nie so schnell entmutigen lassen. Aber die zwei ElefantInnen waren doch schon erwachsen und wussten viel mehr als sie. Wieso sollte sie ihnen nicht glauben?
 
Ruth schaute ihren Cousin böse an. Wie konnte er die kleine Bärin nur so schnell entmutigen?! Da half nichts, da musste eine Wette her - die hatte bisher immer noch geholfen. „Tedy, ich werde dir etwas beweisen! Wetten, dass ich auf den Baum dort drüben klettern kann? Siehst du die kleine Tüte dort auf den Zweigen? Die werde ich holen." Tedy glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Was hatte sie da gehört? Ruth wollte auf den Baum klettern. Eine Elefantin wollte klettern!! Doch ehe sie es sich versah, war Ruth schon den Baum hinaufgeklettert um die Tüte zu holen. Wenn Ruth das gelernt hatte, dann würde sie doch auch ... Da war die Elefantin auch schon wieder bei ihr: „Siehst du! Ich wollte schon immer auf Bäume klettern und habe mich nicht entmutigen lassen. Also ..." „... werde ich auch die Sonne finden", vollendete Tedy den Satz und lachte. Mit neuem Selbstbewusstsein ausgestattet dachte Tedy, dass sie noch viel mit Ruth zu bereden hatte.
 
Was wird Ruth alles erzählen können? Wem wird Tedy auf ihrer Reise noch begegnen? Wird sie die Sonne finden? Wird ihr die Sonne weiterhelfen können? Bleib’ dran! Das nächste Kapitel folgt bestimmt! ;-))